Samstag, 6. Juni 2015

Klein Hermann im Fledermausland




(Soundtrack aus gegebenem: eels und Bob Dylan.)


Natürlich war das Wahnsinn.
Aber wenn du leben willst, dann ist es durchaus sinnvoll, auch mal wahnsinnig zu sein.
Also machte ich mich am Donnerstag auf den langen Weg nach Mainz, um bei der Fledermauslandlesung dabei zu sein.
Und es hat sich gelohnt! Und wie!

Erkenntnisse 1:
Zugfahren ist was für n Arsch und Bahnhöfe sind nur noch was für Leute mit Geld

6 Stunden Zugfahrt, aber ein Ticket zum Sparpreis und Dank der Unterstützung von poesieverliebten Facebookfreunden kam ich mit +/- Null dort hin.
Also alles im grünen Bereich.
Ich war vorbereitet: Mein iPod war geladen, meine E-Zigarette ebenfalls und als Zuglektüre hatte ich „hey anti-roman“ von Lütfiye Güzel und „Kleiner Vogel Tod“ von Sven-Andre Dreyer eingepackt. Außerdem noch ne Flasche Wasser. Es konnte nix schiefgehen!

Um 17.00 Uhr landete ich am Mainzer Hauptbahnhof, also eine Stunde zu früh, aber zu kurz und zu wenig Zeit für die Mainzer Minibuch-Messe.
Bahnhöfe sind nur noch was für Leute mit viel Geld. Die Toilettennutzung kostet 1,-€ (scheiß auf die 50 Vent Verzehrbonus!) und ein Schließfach für mein Gepäck 5,50€, die ich mir dann sparte.
Ein teurer Kaffee, noch ein Wasser und dann suchte ich halt sowas wie einen Park in der Nähe (und die Veranstaltungskneipe war ja auch direkt Nähe Bahnhof…).

Man kann eine Stadt nicht nach der Bahnhofsumgebung beschreiben, Mainz würde da sehr schlecht wegkommen. Und der Park war eigentlich nur eine winzige Grünfläche, wo ich auf der Bank natürlich sofort angesprochen wurde, ob ich Drogen kaufen möchte.
Ich bin doch nicht bescheuert! Erstens bin ich aus dem Alter raus und zweitens habe ich schon in jungen Jahren nur von vertrauenswürdigen Menschen, die ich kannte, gekauft!

Ach ja:

Erkenntnisse 2:
- E-Zigaretten taugen noch weniger als Nikotinverzicht
- iPods sind geile Teile

In Zügen haste keine Chance mehr zu rauchen. Vielleicht auf der Toilette, aber ich habe es schon immer gehasst, auf Toiletten zu rauchen. Also Verzicht.
Irgendwann hatte ich mir mal eine E-Zigarette angeschafft, die probierte ich aus. Und verzichtete nach drei Zügen: Halskratzen und heiße Luft, kein Geschmack. Vielleicht waren nur die Patronen ausgetrocknet, aber das taugte gar nix. Und dieser Plastikstift in der Hand und im Mund machte auch keinen Spaß. Weg damit!
Spaß machte hingegen mein iPod.
Auch den hatte ich jahrelang nicht mehr im Einsatz gehabt. Er funktionierte tadellos, vielleicht sollte ich mir bloß mal neue Kopfhörer anschaffen…
Und ich hörte in den Stunden der Zugfahrt eine alte Playlist und das war schon geiles Nostalgie-Kino! Schön.

Aber zurück zum Thema, falls ich denn überhaupt eins habe. Ach ja. Die Lesung in Mainz:

Ich war als erster an der Dorett-Bar.
Ein uriger, kleiner Laden. Stimmungsvoll. Schön.
Aufbau und Ankunft der Künstler. Ankunft der Verlegerin.
Werden Gäste kommen? Gerade am Lesungstag startete der Sommer. Vielleicht werden auch alle in Biergärten oder am Rhein (so heißt der kleine Fluss in Mainz) hocken…

Nun. Es kamen Gäste.
Die Besucherzahl war okay, wenn natürlich auch nicht die auf Facebook angekündigten 100. Der Laden wirkte sogar voll.


Die lesenden AutorInnen (Stefan Gaffory, Sinona Turini, meine Wenigkeit, Robsie Richter, Till Frommann und Eva Szulkowski) waren erstaunlich diszipliniert und professionell. Eine qualitativ hochwertige Lesung, bei der sich alle an die Zeitvorgaben hielten, wurde einem wirklich sehr aufmerksamen Publikum geboten.
Auffallend: Die Frauen hatten einen absolut überzeugenden Vortragsstil, da können wir Männer uns noch eine Scheibe von abschneiden (und ich unterlasse jetzt mal meine sexistischen Seitenhiebe, kennt ja eh schon jede/r und nimmt sie mir nicht ab…).
Niemand von uns war zu betrunken um zu lesen, meine Sabberei fiel da aus dem Rahmen, aber ich kann eben nicht anders.





Erkenntnisse 3:
Warum auch immer, die ZuhörerInnen mögen mich

Ich war nicht in Form, da kam mir eine recht kurze Auftrittszeit sehr gelegen.
Und ich trug als einziger Lyrik vor, da mich Prosasachen beim Vorlesen zu sehr angestrengt hätten und es für das Publikum so auch leichter ist (und ich bei Lesungen eh immer mehr Bock auf meine Gedichte habe…).
Aus mir unerklärlichen Gründen (die Müdigkeit nach der Zugfahrt, Tagesform, die Lüftung in der Kneipe, Erkältung,…?) war ich noch verschleimter, als an normalen Tagen. Trotzdem konnte ich wohl noch  halbwegs klar artikulieren. Und bekam positives und nettes Feedback.
Sowas macht einfach Spaß!

Irgendwie werde ich gemocht. Keine Ahnung, ob trotz oder wegen meiner offensichtlichen Behinderung, die Menschen hören aufmerksam zu und scheinen meinen Kram gut zu finden.
Das ist klasse, das bauchpinselt mich, deshalb mache ich entgegen jeglicher Vernunft gerne ein paar Lesungen im Jahr.
In Mainz war es wieder einmal richtig geil!

Natürlich lag das auch an Miss Gonzo: Miriam Spieß, die Herausgeberin des gONZo-Verlags, die diese Lesung organisiert hat.
Der gONZo-Verlag fing ja (wenn ich das richtig auf den Schirm habe) mit Veröffentlichungen aus dem Nachlass von Hadayatulla Hüsch an.
Ich nenne ihn jetzt mal den Vater des Social-Beat in Dland, obwohl wir beide nie so richtig miteinander warm wurden.
Dann kamen weitere Veröffentlichungen und mittlerweile ist gONZo einer meiner Lieblingsverlage.
Meine Lieblingsbücher (in der Reihenfolge):
- Pablo Haller – Leda
- Pablo Haller – Südwestwärts 1&2
- Susann Klossek – Der letzte große Bluff
- Kersten Flenter – Bevor Du mich schön trinkst
- Ray Rubeque & George Koehler – Poems you see before you die
- Anthologie – Fledermausland
- Anthologie – Fickt euch alle
Überraschend lange Liste – ich bin mir sicher, sie wird noch länger werden.
Ich war stolz, einen Beitrag zum Fledermausland leisten zu können. Ich war stolz, in einem Buch mit Pablo, Susann, Robsie und Kersten und anderen zu erscheinen. Ich war neugierig auf Miriam.

Natürlich hatten wir nur wenig Gelegenheit auf der Lesung uns auszutauschen. Der Eindruck ist positiv und in welcher Art und Weise auch immer, ich bin mir sicher, dass dies nicht der letzte Kontakt war.

Erkenntnisse 4:
Anti-Folk ist Folk und Banjos bleiben verbotene Instrumente

Nach der Lesung dann die Band aus Leeds.
Drei Männer mit Gitarren, Contrabass und Banjo.
Ich mag keine Banjos.
Und ich verstehe nicht, warum Folkmusik plötzlich als Anti-Folk bezeichnet wird.
Die Jungens waren gut, es machte Spaß (zunehmend zum Konzertende). Zwischenzeitlich war zuviel Picking-Wixerei und zu wenig Feeling oder eigenes Potential. Aber hier zu meckern ist völlig überzogen.

Ich kackte langsam ab.
Miriam spendierte nach dem Konzert eine wohlverdiente Runde Tequila und ich verzog mich auf ein Feldbett in die Wohnung über der Kneipe.
Eigentlich hätte ich noch gerne Party gehabt, aber ich bin über 50 und krebsgeschädigt und pennte dann auch schnell ein…

Als ich dann aufwachte lagen die drei Jungens aus Leeds noch im Tiefschlaf. Die werden die Disco und Party noch genossen haben…
Ich verzog mich leise aus der Bude und machte mich dann so langsam auf den Rückweg.

Habe ich schon erwähnt, dass Bahnhöfe und Zugfahrten scheiße sind?

Erkenntnisse 5: Wieder zu Hause ist immer schön

Die Rückfahrt war scheiße. Kreischende Teenie Horden in Zügen sind nicht mehr meins. Rauchverbote eh nicht, aber da wiederhole ich mich.
Es war klasse, die Fahrt zu machen.
Es war klasse, die Lesung mit wirklich netten und tollen Leuten zu erleben.
Es bestärkt mich wieder einmal, mit meinem Kram weiter zu machen.
Es war klasse, wieder nach Hause zu kommen.

Letzte Erkenntnis:

Erkenntnisse 6:
Soziale Netzwerke und Freunde funktionieren – kneifen gilt nicht!


Nachträge:
Zu wenig Zeit, zu schlechte Form und ne Lesung ist da immer ungünstig:
- Stefan, Simona, Till, Eva: Ich fand euch klasse, hätte euch gerne näher kennengelernt…
- Miriam: Ich wiederhole mal den Satz von gerade… Und überhaupt.
- Robsie: Immer wieder gerne! Demnächst mal mit Jerk (wir fragen den nicht, sondern zwingen ihn!)!
- Ela, Manfred, Alex, Marcus, … : Sorry, wenn ihr die Aufmerksamkeit, die ihr verdient hättet, nicht bekommen habt. Lesungen sind immer auch Nervenanspannung…
- Alex: Aron liebt die Hundekekse!
- Stefan: Höre gerade Dylan. Live in Budokan 87 (da hat er Reggae probiert). Sehr witzig. Du würdest kotzen!
Ich fand deinen Text genial formuliert, sehe Dylan aber wesentlich positiver.
- Till: Vor Dylan lief die ganze Zeit eels.
21.45: Danke für deinen Text!


Nach ner Lesung ist vor den Lesungen:



2 Kommentare:

  1. Stefan Gaffory8. Juni 2015 um 12:21

    Schöner Text, sehr herzlich. Gefällt mir! Was das Kennenlernen anbetrifft: wir sind ja- auch dank Facebook- nicht verschollen und lesen hoffentlich in dieser Konstellation mal wieder. Hat auf jeden Fall Spaß gemacht. Viele Grüße! P.S.: Dylan spielt Reggae? Der wievielte Höllenkreis ist das nun wieder?

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  2. Naja. Dylan spielt kein Reggae (das wäre wirklich zuviel), aber er lässt in Sound und Rhythmus Reggae-Touch einfließen.
    Und: Ja - ich finde das witzig und klasse!

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