Montag, 30. Juni 2014

Lemminge





I
Immer weitergehn
sprach die zweite Reihe
und die erste marschierte

II
Es geht voran
schrien sie voller Begeisterung
und das Ziel war nahe

III
Bloß nicht drängeln
(jeder nur ein Kreuz)
Es ist genug für alle da

IV
Lemminge
sind Wühlmäuse
und die Theorie ihrer Massenselbstmorde
ist mehr als umstritten
Fakt ist
dass sehr viel Lemminge
bei ihren Massenwanderungen ums Leben kommen

V
Lemminge
sind Zweibeiner der Gattung Säugetier
die zwielichtigen Herrschern folgen
und für die Ausrottung und Ausbeutung
der Flora und Fauna des Planeten verantwortlich sind
Lemminge eignen sich hervorragend als Metapher

VI
Ich glaube
Lemminge sind ziemlich doof
(aber süß – ich mag Wühlmäuse)
Menschen dagegen sind…

Ich mag Lemminge!

Sonntag, 29. Juni 2014

Mein Gute-Nacht-Gebet






Ach Leute,
glaubt mir:
Es gibt keinen Grund für Zuversicht
Nicht jetzt
und auch nicht in Zukunft

No Future
ist wahrscheinlich wesentlich besser
als alles
was uns in der Zukunft erwartet

Keine Chance und
keine Aussicht auf Besserung für
diesen Planeten, dieses Land oder diese Stadt
Keine Chance für die Menschheit,
für Euch
und schon gar nicht für mich

Ach Leute,
es ist einfach so
Guckt Euch doch mal um!

Andererseits war ich schon als Kind ein sogenannter Trotzkopf
und werde weiterhin trotzig
zu meinem TROTZDEM stehen

dem setze ich dann noch ein
NA UND?! hinterher

und verabschiede mich in die Nacht


Mittwoch, 18. Juni 2014

Bin ich noch zu gebrauchen?



Neue Versuche:

Da ich angeblich zum Anzeigenblattaustragen ungeeignet bin, meine Anzeige als „Mann für viele Fälle“ nichts gebracht hat und professionelle Biografie-Arbeit einfach zu teuer und zu selten gewünscht scheint wechsele ich jetzt mal zu anderen Formaten und Möglichkeiten.
Ich bin ja weiterhin hauptberuflich Schreiberling und Erwerbsminderungsrentner. Und Mann, bzw. Mensch.
Aber das reicht mir nicht. Also:

Model:
Die Bilder von Ina Caspari und Oliver Baglieri beweisen es: Ich bin ein Model.
Ich habe (irgendeine) Ausstrahlung und (sowas wie) Charisma und bin gerade in  meiner Andersartigkeit einfach interessant.
Angeblich bin ich fotogen.
Mit meinen (krankheitsbedingten) 54 kg bei 1,72 m bin ich nur leicht übergewichtig für diesen Job.
Bin also für alle professionellen Foto-Shootings zu haben.




Statist:
Wird für irgendwas irgendein Freak benötigt? Ich bin da!
Qualifikation siehe Model.

Reality-TV:
Meine Lebens- und Leidensgeschichte geht ans Herz. Zumindest kann man sie so stricken und darstellen.
N schlimmen Mundhöhlenkrebs überlebt und weiter am kämpfen. Und voller Lebenskraft und Liebe. Oder so.
Das hat doch was, oder?

Musikkritiker:
Ich fühle Musik. Mag sie – oder mag sie nicht. Und schreibe subjektiv darüber. Qualifikation sind meine Blogbeiträge.
Andere Kritiken – ohne Pseudo-Anspruch und ohne marktkonforme Regeln.
Es gibt Menschen, die behaupten, dass ich das kann.





Straßenbettler:
Könnte ich. Würde ich rein optisch hinkriegen, hätte wohl auch genug Demut und Höflichkeit.
Bin aber (momentan) noch nicht in der Lage, mich soweit zu erniedrigen.
Aber das kriege ich auch noch hin…

Schreiberling, Erwerbsminderungsrentner, Mann, Mensch:
Bin ich schon. Verdient man keinen Cent mit…

„Normaler“ Erwerbstätiger:
Sorry. Ich habe meine Qualifikationen aber ich habe eben auch meine Behinderungen.
Aber vielleicht können die ja auch mein Vorteil werden…

Ich glaube, ich werde Straßenbettler…




Behinderter Umgang, ganz viel Musik und so...

Schon wieder eine Woche vorbei.
Und wenig von dem geschnallt, was ich machen wollte.
Und das ist mir sowas von egal!

Meine zwei Mädchen, Claudia und Leila, halten mich auf Trab. Und das ist total schön, aber auch füllend und anstrengend.
Da war der Sturm und die behindernden Folgen, der Beginn der Fußball-WM und zu viele Fußballspiele in der Glotze, die ich fast alle gucke (seit 74 kann ich nicht anders…) und einige nette Besuche und Freunde und Familie und mehr kann ein alter, schwacher Mann wie ich eben nicht.

Leila kommt immer mehr wirklich bei uns an. Sie wird ruhiger und hört auf uns und bei den Spaziergängen klappt es besser. Besuch bei uns und Besuche bei Freunden und Familie funktionieren (mit einer Ausnahme). Klar: etwas Nerverei und Zickerei ist noch dabei. Aber es wird.
Manchmal knurrt und bellt sie noch Hunde und Menschen an, aber es wird weniger. Völlig nervig ist es an Ampeln bei Autofahrten: sobald wir fahren, ist sie entspannt. Aber wenn wir stehen wird jeder andere Verkehrsteilnehmer fürchterlich angemacht.

Dann war da noch meine Bewerbung als Verteiler eines Anzeigenblattes. Zweimal die Woche n paar Stunden, das schaffe ich. Und das Auto ist ja am Start. Natürlich ist das ein Hungerlohn, aber als Erwerbsminderungsrentner kann ich ja eh nur ein Taschengeld dazu verdienen, also habe ich mich da spontan beworben.
Und bin jetzt gefrustet:
Nichts ist für einen Behinderten entwürdigender, als wenn er wie ein Behinderter behandelt wird. Und die körperliche Einschränkung sofort mit geistigen Einschränkungen gleichgesetzt werden.
Man wird wie ein Krüppel behandelt, vielleicht spielt da auch (überhebliches) Mitleid eine Rolle, vielleicht auch einfach Unsicherheit der „gesunden“ Menschen, aber generell machen mich solche Umgangsweisen aggressiv und sauer.
Ich zum Beispiel sehe im Gesicht etwas anders aus und wirke vielleicht etwas zerbrechlich. Außerdem artikuliere ich unklar und sabbere ein bisschen. Aber dennoch bin ich ein erwachsener Mensch mit einigen Erfahrungen und Wissen und Selbstverantwortung.
Es ist kein Problem, wenn mein Gegenüber mich nicht direkt versteht und nachfragt. Aber es ist einfach Scheiße, wenn ich nicht verstanden werde, mein Gegenüber aber einfach so tut, als wenn nix wäre und was völlig anderes antwortet. Dann kann ich doch sofort mein Maul halten, weil es eh nicht interessiert, was ich zu sagen habe!
Bei meiner Bewerbung als Zusteller traf ich dann auf ein besonders unangenehmes Exemplar dieser Spezies.
Es fing ja schon in dem Gebäude und an der Türschließanlage an. Keine Hinweisschilder und keine Informationen, trotzdem fand ich dann nach kurzer Suche das richtige Büro. Ich wurde nicht begrüßt, sondern nur nach meinem Namen und meinen Begehr gefragt, mir wurde zwar ein Platz angeboten, aber mein Gegenüber telefonierte kommentarlos und tippte danach in seinen Computer. Ich saß da und konnte nach n paar Minuten dann endlich anfangen. Sein erster Satz: „Das schaffen sie nicht!“. Mein erster Satz: „Wenn ich mir da nicht sicher wäre, dann wäre ich nicht hier.“
Dann: „Sie dürfen (!) kommenden Samstag einmal zur Probe mitarbeiten, danach rufen Sie mich Montag an. Ich nehme schon mal Ihre Personalien auf.“ Er schmiss mir ein Formular hin, das ich ausfüllen sollte (zum Glück hatte ich einen Kugelschreiber dabei, der wurde mir nämlich nicht gegeben).
Formell benahm sich dieser Typ danach korrekt, behandelte mich aber von oben herab und eben so, als würde ich weit unter ihm stehen und dumm sein.
Ich atmete tief durch, wurde extra noch freundlicher und gab ihm bei der Verabschiedung die Hand (was ihm peinlich war) und betonte nochmal, dass man zum Verteilen einer Werbezeitung nicht unbedingt klar artikulieren müsse.
Dann rauchte ich mir draußen eine Zigarette und fluchte erst mal.
Einsatz des Privat-PKWs (unbezahlt!), Verlässlichkeit (völlig okay!) und an zwei Tagen ca. 3 Stunden Aufwand macht ungefähr einen Stundenlohn von 5,-€ bei ca. 120,-€ im Monat. Zwar scheiße, aber okay, weil machbar und eben ein zusätzliches Taschengeld.
Aber muss ich mich dafür wie ein behinderter Sklave behandeln lassen?
Ich hadere, ob ich das wirklich machen soll, habe aber noch n paar Tage Zeit…

Die Wut und der Frust sitzen tief bei mir.
Da kann der Typ nur halb was für, die andere Hälfte entsteht dadurch, dass mir die Würdelosigkeit meiner Behinderung wieder deutlich wurde.

Dann gibt es ja noch die Paketzustelldienste.
Sehnsüchtig und voller Neugier erwarte ich ein Paket von einem Freund. Gestern kam ein Brief, dass dieses Paket nicht zustellbar wäre, da meine Adresse nicht stimmen würde. Die Hausnummer wurde vom Zusteller fälschlicherweise als 0 anstatt als 6 entziffert.
N bisschen überlegen und vielleicht mal gucken hätte da nicht schaden können.
Und ich frage mich, wie hohl man sein kann!



So.
Und jetzt die obligatorische Musiklaberei.

Kurz bevor die überarbeiteten Aufnahmen der 74er Tour von Crosby, Stills, Nash & Young veröffentlicht werden habe ich mir die alten CDs dazu besorgt. Und auch noch mal „4Way Streets“ gehört.
Ich glaube, ich brauche diese Aufnahmen nicht. Klar: ein zeitgeschichtliches und für die Rockmusik wichtiges Dokument. Aber eben kein zeitloses Werk und für mich momentan nicht passend.
Man muss ja nicht alles haben (und so was von mir!)!

Mit Lana Del Ray tue ich mich schwer.
Nicht schlecht, aber ich höre dann doch lieber die neue Tori Amos oder die wunderbare Andrea Schroeder. Auch wenn solche Vergleiche nicht unbedingt fair sind.

Bob Mould ist wieder da. Weg war er eigentlich nie.
Mit „Beauty and Ruin“ hat er eine wahnsinnig geile Scheibe hingelegt. Wieder härter und rockiger, erinnert an sein Meisterwerk „Workbook“ und an die erste Sugar-CD. Ja. Erinnert sogar teilweise an Hüsker Dü.
Und ist damit für mich natürlich ein absolutes Muss!
Klasse!

Und Linkin Park haben mit „The Hunting Party“ die Jagd neu eröffnet.
Und wie!
Abwechslungsreich, bretthart, melodiös und ganz anders, als erwartet (ist aber bei Linkin Park kein Wunder…).
Geht geil ab!

Muss man „Quadrophenia“ von The Who haben?
Aber sicher!
Bei jeglicher Liste der 10 oder 100 besten Alben oder Scheiben, die ich mit auf eine Insel nehmen würde taucht bei mir Quadrophenia auf. Meist auf Platz 1.
Ich liebe dieses Album!
John Entwhistle und Keith Moon sind leider nicht mehr unter uns. Trotzdem haben Daltrey und Townshend (Die "Ersatzmusiker" Pino Palladino am Bass und Scott Devours am Schlagzeug vertreten die verstorbenen Bandmitglieder wirklich sehr gut!) letztes Jahr eine große Tour hingelegt und Quadrophenia zum vierzigjährigen Jubiläum live eingespielt. Und das Ergebnis jetzt auf CD (und Blue Ray und so) gepresst. Und es ist toll geworden.
Daltrey versucht endlich nicht mehr, so wie früher zu klingen und akzeptiert, dass seine Stimme gealtert ist. Und das macht es authentisch und gut.
Fans von The Who werden sich das Album anschaffen müssen, für alle anderen empfehle ich aber doch lieber das Original.

So.
Brandneu ist das neue Mastodon-Album: „Once more round the sun“.
Mastodon mochte ich schon, als ich mit Heavy Metal wenig anfangen konnte. Und sie befriedigen mich auch mit ihrem neuen Album. Geht geil ab!
Und Claudia freut sich, dass ich auch mal härtere Sachen und „nicht nur diesen ausgefallenen Depri-Scheiß“ höre.

Gerade kam ein Paket mit einem Buch über Jazz-Giganten.
Ja. Da Claudia unterwegs ist kann ich mich auch mal wieder damit beschäftigen. Das Buch lesen und die wunderbaren Mix-CDs von Ralf hören.
Damit genug über Musik…



Ich bin ein Sturm-Opfer:
Als wir gestern mit Leila versuchten durch den Bochumer Stadtpark zu gehen knickte ich auf einem Ast um.
Und habe jetzt Aua-Knöchel. Wahrscheinlich n Band gedehnt.
Heute falle ich für Gassigänge aus und humpele zum Schreibtisch und zum Fernsehsessel.
Aber es ist nix schlimmes.
Vielleicht will ich auch nur so tun, als ob ich irgendwas mit diesen Fußballspielern gemeinsam habe…

Und die ersten Glühwürmchen flirrten auch schon durch die Nacht und erfreuten mich.
Es wird Sommer (Ab Samstag offiziell).
Und es wird eh alles gut.
Irgendwann.
Vielleicht schon jetzt.