Mittwoch, 25. April 2012

N Gedicht für mich, n Gedicht von mir, BVB, Urheberrecht, Hartz IV, Nicky Fee, ...


Uff. Das könnte länger werden.

Rolf Wienhusen hat mir ein Gedicht gewidmet. Ich finde das klasse. Und bin gerührt. Und verbreite es jetzt mal hier:

Schmerz ist immer

(für Hermann Borgerding)

In Ruhe haben Stürme
Nester
haben Orkane
ihre Wut
Manchmal
stehen Menschen auf,
danach.
Wie völlig neu
erlebt.
Und spucken auf die
ächzende Zeit
der Verwüstung.

R.W. 2012
Nacht ,Hermann !


Und ich habe ein Gedicht geschrieben, dass ich einer sehr guten Freundin gewidmet habe:

Just Kids
(Für K.)

Hunderte Kilometer entfernt
leben wir unsere Leben
sind uns nah
und fern
und
niemals so ganz voneinander losgelöst

Wir leerten viele Gläser zusammen
(aber den letzten Tropfen sparen wir uns auf)
Manches Kraut drehten wir in Zigarettenpapier
und inhalierten unsere Träume
und ich war meistens einen Schritt ängstlicher
spießiger und angepasster
du erschienst mir weiter zu sein
und damit noch näher
am Abgrund

Früher war ich ein kleiner alter Mann für dich
Jetzt
wo ich die Lebensmitte überschritten habe
ist das völlig egal geworden

Wir hatten alles ausprobiert
gemeinsame Vollräusche
gleichzeitige Abstinenz
Zeitgleiches Frühschoppenkotzen auf dem Kneipenklo
aber auch Wanderungen und lange Spaziergänge
und immer unendliche Gespräche
Umarmungen
und mehr
und dann gar nichts
bis wir zu freundschaftlichen Umarmungen gelangten
und letztendlich
angekommen sind

Geschwister im Geiste
vermischten wir uns
und werden so lange wir leben immer aneinander denken
und wenn möglich füreinander da sein
da bin ich mir sicher

Jetzt
Hunderte Kilometer voneinander entfernt
haben wir einen heißen Draht zueinander
bei unseren Ferngesprächen
und Gedankenübertragungen


Wir jonglieren weiter am Hochseil
und da kann man nur alleine das Gleichgewicht halten
aber unten am Boden
sind wir immer bereit
uns gegenseitig aufzufangen


Dieses Gedicht ist für dich
Du bist die Schwester
die ich immer haben wollte

So lange wir leben
wird dieses Gedicht nicht enden
und ich hoffe
du findest dann irgendwann
die passenden Schlussworte
Die will ich nicht schreiben
Die hebe ich für dich auf


Am Welttag des Buches habe ich natürlich auch geschrieben. Nicht so wichtig und nicht so toll. Aber ich poste es jetzt trotzdem in diesem Blog rein:

Guten Morgen zusammen!
Was für ein Tag! Welttag des Buches und Tag des Bieres. Prost! Ich genehmige mir erst mal hier beim Tippen eins oder zwei Bücher.

Meine aktuellen Frühjahrs-Highlights:
Stephen King – Das Attentat
Diane Hielscher – Warum Russland
Ray Rubeque und Georg Koehler – Poems you see before you die
Sven-Andre Dreyer – Die Luft anhalten bis zum Meer
Nicky Fee – Ninas Symphonie
Charles Bukowski – Den Göttern kommt das große Kotzen
Ingvar Ambjornsen – Den Oridongo hinauf
Hannibal von Innstetten – Der Birnenverächter
Klaus Märkert – Requiem für Pac-Man.
Zu dem ein oder anderen Buch habe ich mich schon geäußert, die anderen werden noch kommen.

Ansonsten meine Lieblingsbiere:
Fiege-Alkoholfrei
Kara-Malz
Veltins-Malzbier
Budweiser
Veltins Pils (ich gestehe, lieber als Fiege. Im Bezug zu Fußball würde ich das natürlich nie zugeben…)
Hövels
Leffe.

Soviel dazu (und ich setze das  mal etwas kleiner, weil die nun wirklich nicht allzu viel Aussagekraft haben…)



Der BVB Doofmund ist deutscher Fußballmeister. Ehrlich gemeinter Glückwunsch! Und es ist eine absolut verdiente Meisterschaft: die Mannschaft, mit dem größten Einsatz, einem hervorragendem Pressing, einer Spielkultur zum Zunge schnalzen und einem positivem Erscheinungsbild ist Meister geworden. Chapeau!
Und natürlich Freude weil es nicht die Bayern sind.
Trotzdem darf man dabei nicht vergessen, dass der BVB und auch dieser andere Verein mit seiner Riesenturnhalle und dem leckeren Bier ihre Erfolge auf wahnsinnige Schuldenberge aufbauen. Und oft nur deshalb die Lizenz für den Profibetrieb bekommen haben, weil sie eben Publikumsmagneten sind und die Abo-Zahlen bei Sky erhöhen. Der VfL Bochum oder Rot Weiß Essen haben da wesentlich solider gearbeitet, verschwinden aber beide dafür in den unteren Ligen und im Mittelmaß.
Und man sollte erwähnen, dass im Rahmen der Meisterfeiern in der Dortmunder City eine linke Kneipe von rechten Arschlöchern, die eben auch zu den Fußballfans gehören, überfallen wurde.
Ich gönne es den Doofmundern, es ist gut für das Ruhrgebiet und so etwas würde ich trotz meiner Alters-Milde nie von dem anderen Verein mit der großen Turnhalle neben Wanne-Eickel schreiben.
Soviel zum Fußball, der mich als Bochumer ja natürlich nicht mehr interessiert. Ich steige um auf rhythmische Sportgymnastik: da ist mehr Einsatz und Bewegung, als beim VfL Bochum.

By the way: während ich das in meinen Blog setze läuft Real Madrid-Bayern München. Klasse Spiel. Und ich weiß wieder, dass Gomez, Schweinsteiger, Badstuber und mittlerweile auch Robben und Ribery alles präsentieren, was ich an Bayern hasse: Unsportlichkeit, Überheblichkeit und einfach arschiges Verhalten auf dem Fußballplatz. Ich mag die einfach nicht!


Wenn ich keine Ahnung habe, dann halte ich (manchmal) meine Schnauze.
Ich habe keine Ahnung vom Urheberrecht. Da geht es mir also wie den Piraten.
Ich finde, jeder Dichter und/oder Musiker sollte an seinen Sachen verdienen und beim Internet ist das nicht der Fall. Aber ich selber nutze trotzdem äußerst intensiv dieses Medium, weil es Spaß macht, sich mitzuteilen. Und um über Facebook und meinen Blog auch Werbung für meine Bücher und das Produkt Hermann Borgerding zu machen. Ich finde das okay so.
In Dland kann kaum ein Dichter oder Musiker von seiner Kunst leben. Dies liegt aber nicht am bestehenden Urheberrecht, sondern an einer schlechten und nur erfolgsorientierten Kulturförderung. Und an einer mörderischen kapitalistischen Struktur im Verlags- und Musikgeschäft, wo die kleinen Verlage und Labels geschluckt und platt gemacht werden, anstatt gefördert.
Ich habe keine Lösung. Ich mag die Forderung nach einem Mindesteinkommen. Für jeden. Und ich finde, das ist durchaus machbar. Und ich mag Kulturförderung, die gerade die Subkultur und die Kleinen Initiativen fördert. Das ist in Dland nicht der Fall.
Soweit ich weiß, hat Norwegen eine sehr gute Förderung der Schriftsteller, könnte man ja mal über den Tellerrand schauen…
Ansonsten finde ich die GEMA, so wie sie existiert, scheiße. Aber es sollte schon eine Kontroll- und Finanzorganisation für Musik geben. Und für Literatur. Und Bilder.
Und es sollte auch uns Usern klar sein, dass man eben nicht alles umsonst bekommt. Und natürlich sollte YouTube den Künstlern was abgeben, auch wenn sie die Videos nicht selber produzieren: sie verdienen da massig dran!
Aber für billiges und populistisches Gelaber ist das Thema zu komplex.
Und wenn man keine Ahnung hat, dann sollte man einfach mal die Schnauze halten. Und das tue ich jetzt bei diesem Thema…


N paar Worte zu Hartz IV:
Ein Berliner Gericht hat heute geurteilt, dass der Hartz IV Satz die Lebenserhaltungskosten in keiner Weise abdeckt. Für Einzelpersonen sei der Satz um mindestens 36 € zu niedrig, ganz zu schweigen, von dem Satz für Lebensgemeinschaften und dem Geld für Kinder.
Damit landet der Scheiß mal wieder beim Verfassungsgericht.
Und es wird immer klarer, dass das Betreuungsgeld, wenn es denn als Gesetz durchkommt, nicht den Bedürftigen gezahlt wird, sondern voll und ganz mit Hartz IV verrechnet wird.
Hurra! Ein unwürdiges und unmenschliches System entlarvt sich immer wieder selber!
Hartz IV abschaffen!
Mindesteinkommen für jeden!
Nein: das ist nicht unrealistisch. Das wäre sozial. Und ich meine mich zu erinnern, dass eine freiheitliche und soziale Solidargemeinschaft auch im Grundgesetz verankert ist. Nur, dass das die Politiker einen Scheiß kümmert…


Und die Ukraine:
Unser Präsi macht sein erstes gutes Ding: Er sagt einen Termin dort ab, weil er die Demokratie dort gefährdet sieht. Richtig so! Leider wird die Fußball-EM ohne Kommentar dort stattfinden.
Und Indien und n paar Tage später Pakistan:
Es gibt wenige Länder mit größerer Armut. In Indien und in Pakistan verhungern massig Menschen, leben über dreiviertel der Bevölkerung unter dem minimalen Lebenserhaltungsstatus. Glückwunsch zu den Langstreckenraketenversuchen! Mir kommt was hoch...


Und noch ne Rezension:

Nicky Fee - Ninas Symphonie (Engelsdorfer Verlag 2012):
Ein junges Buch einer jungen Autorin.
Die Berufsschülerin Nina lernt die Stars ihrer angehimmelten Band kennen und bekommt sofort das Angebot, als Sängerin einzusteigen und mit zu touren. Dabei ist sie in den Sänger Sanders verliebt, der aber verheiratet und damit tabu ist. So verliebt sie sich in den Gitarristen Jim und kommt glücklich (und natürlich voller widerstreitenden Gefühlen und Eifersüchteleien) mit ihm zusammen. Es könnte alles wunderschön sein, wenn die junge Nina nicht einen Gehirntumor hätte… Soviel zur Story.
Nicky Fee schreibt sauber und geschliffen. Für meinen Geschmack zu sauber und damit in einer Sprache, die der Rockmusik, um die es ja auch in dem Buch geht, nicht gerecht wird. Streng betrachtet kommt die Story zu platt und oberflächlich rüber, aber darum geht es in dieser Geschichte nicht. Es geht um die Wirrungen der Liebe, um den Widerstreit der Gefühle und um das Schicksal. Da schafft es die Autorin zu fesseln. Da schwingt massig Gefühl und ein sanfter Humor zwischen den Seiten durch. Lautmalerische Einschübe bei einer gefühlvoll geschilderten Sexszene brechen zum Beispiel den Hang zum Kitsch auf und sorgen dafür, dass das Ganze lesbar bleibt. Das ist gut gelungen. Und die unterschiedlichen Erzähl- und Zeitebenen sind geschickt vermischt und bewahren den Roman davor, in Schmalz zu ersticken.
Dieses Buch könnte die Grundlage für einen Liebesfilm sein. Leicht, wie ein Sommerabend.
Nicht mehr aber auch nicht weniger. Und das ist schön. (Sternbewertung: Vier)


Uff.
Ich denke, für diese Woche reicht das jetzt.
Wie ein Orang Utang klopft sich Schweinsteiger mit der Faust an die Brust. Ich freue mich nicht, hatte aber einen sehr spannenden Fußballabend.
Maya genoss die späte Abendrunde und pennt. Claudia liegt auch schon im Bett. Ich genieße mal wieder meine nächtliche Schreiborgie.
Und poste das jetzt schnell, bevor ich Euch noch weiter zutexte...





Samstag, 21. April 2012

Ein Interview mit mir:





Das kostenlose LiteraturZine der
Edition PaperONE
Ausgabe 5, April 2012
Sonderausgabe Nummer 2:
Hermann Borgerding
Ein Interview

Nachdem das zweite Buch zum Thema Krebserkrankung mit Hermann Borgerding in der Edition PaperONE erschienen ist, nahm Hauke von Grimm Kontakt zu ihm auf und fand einen lebensbejahenden Herren mit schelmischem Blick in die Zukunft auf.


Hallo Herr Borgerding, wie geht es Ihnen?
Danke, gut. Klar, das ist ‚ne Standardantwort und Höflichkeitsfloskel, aber bei mir stimmt es: Es geht mir wirklich sehr gut! Meine Krebsoperation ist mittlerweile fünf Jahre her, damals hätte keiner darauf gesetzt, dass ich überhaupt so lange lebe. Ich bezeichne mich mittlerweile als dauerhaft tumorfrei und damit vom Krebs geheilt, auch wenn man das bei Mundhöhlenkrebs eigentlich nie sagen kann. Doch ich brauche so gut wie keine Schmerzmittel mehr und schaffe konstitutionell und konditionell verdammt viel. Mittlerweile bin ich mit meiner großen Liebe verheiratet, und das hätte ich früher kategorisch für mich ausgeschlossen und nach den Entstellungen und Behinderungen durch den Krebs als absolut illusorisch angesehen. Mit meiner persönlichen Therapiehündin haben wir ein richtig schönes, idyllisches Kleinfamilienglück. Dazu dann noch meine Freunde und Freundinnen, gute Bücher und gute Musik: Das Leben ist schön!
Zu meinen zwei Büchern, die ich letztes Jahr bei der Edition PaperONE  veröffentlicht  habe,  und  zu  meinem  Blog  bekomme ich  viele  aufmunternde  Kommentare,  die  mich  bestärken,  in dieser Richtung weiter zu machen. Das gibt Kraft. Lesungen strengen  zwar  tierisch  an,  machen  aber  auch  ziemlich  viel Spaß   und   auch   da   ist   das   Feedback   größtenteils   positiv. Klar, ich sabbere und meine Artikulation ist ziemlich hinüber. Klar, ich bin entstellt. Klar, ich werde schnell müde und bin körperlich schnell an meinen Grenzen angelangt. Trotzdem: Es geht mir gut!
Sie merken, ich fange an zu schwafeln. Lassen Sie uns weiter machen…

Sie bezeichnen sich selbst als Dichter, Schreiberling, Mensch. In der Reihenfolge? Was bedeutet jeder einzelne dieser Begriffe bzw. Bezeichnungen für Sie?


Die Reihenfolge ist okay, wobei ich es eigentlich anders rum stellen müsste: Mensch bin ich, definitv auch Schreiberling und Dichter wäre ich gerne.
Was  bedeutet  „Mensch“  für  mich?  Menschsein  ist  für  mich auf  alle  Fälle  Leben  als  soziales  Wesen.  Das  bedeutet  für mich erst mal die bewusste und reflektierte Entscheidung für Solidarität, für Liebe und auch für Wut. Menschsein ist für mich das Wissen von einer Seele oder Kräften, die wir eben nicht definieren  können,  die  aber  trotzdem  da  sind.  Menschsein  ist für mich auch das Eingeständnis von Trauer und Verletzbarkeit. Vielleicht ist es das Zusammenspiel von Bewusstsein, Intellekt, Seele und Gefühl. Keine Ahnung. Wenn ich da ‚ne perfekte Antwort haben wüsste, dann wäre ich Philosoph und wahrscheinlich berühmt.
„Schreiberling“ ist klar: Ich blogge regelmäßig, ich veröffentliche Lyrik und Prosa, ich schreibe seit meiner Schulzeit regelmäßig und  habe  die  wirre  Idee,  damit  etwas  mitteilen  zu  können. Wenn ich gesundheitlich fitter bin, habe ich vor, neben meinen schriftstellerischen Tätigkeiten verstärkt in die Lohnschreiberei zu gehen. Hauptsächlich denke ich an Biographiearbeit, wobei mir da auch meine Ausbildung zum Altentherapeuten zugutekommt. Vielleicht  auch  als  zeilenhonorarfreier  Mitarbeiter  für  Verlage oder Zeitschriften, was ziemlich schwer zu managen ist, im Krankenpflegebereich aber durchaus möglich. Alles Mögliche, aber hauptsächlich eben meine persönliche und eigene Schreiberei. Damit werde ich weiter nerven.
Dichter wäre ich gerne. Ob ich das vielleicht schon bin, müssen andere beurteilen. Manchmal denke ich, dass ich das zumindest in Ansätzen geschafft habe. Dichter können Worte zum Tanzen bringen.   Dichter   können   Gefühle   und   Gedanken   in   Worte packen, die den Leser berühren. Dichter, das heißt, Rhythmus und  Beat  der  Worte  rüberbringen  zu  können.  Wondratschek und Wecker – Ohja, für mich ist Konstantin Wecker einer der besten deutschen Dichter! - können das. Bukowski, Kästner, Tucholsky und Hölderlin konnten das. Im belletristischen und prosaischen  Bereich  fallen  mir  hauptsächlich  Amerikaner  ein: Tom Robbins, Matt Ruff, John Steinbeck. Ich will Dichter werden. Ich erinnere mich an zwei Sätze, die mich wachsen ließen. Urs Böke, einer meiner Lieblingsdichter, obwohl er aus Essen kommt, schrieb in einer Rezension, ich wäre einer der menschlichsten Dichter des Undergrounds. Wow! Danke, Urs! Und H.P. Daniels, ein Berliner Musikkritiker und Schreiber, sagte mir nach einer Lesung, dass man trotz meiner Behinderungen den Rhythmus und den Sound meiner Gedichte fühlen könne. Danach kriegte ich für zwei Tage das Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht.


Mir  war  immer  so  als  wären  Philosophen  Leute,  die  anderen ihre eigenen Gedanken und Vorstellungen der Welt und der Dinge mitteilen und Dichter könnten das nur etwas besser verpacken. Ihr Bild von den tanzenden Worten gefällt mir auch sehr gut, es passt zu einem Bild, das ich gern benutze. Es ist das Spielen mit Worten. Spielen im ursprünglich kindlichen Sinn, sprich ergründen, begreifen, neu formen. Spielen Sie noch?

(lacht) Nur wenn ich gewinnen kann. Ja, ich bin ein Zocker und spiele gerne. Fußball spiele ich allerdings gar nicht mehr, weil mir da die Kraft und Ausdauer fehlt und mich sogar ein zehnjähriges Kind in Grund und Boden spielen würde. Ich bin sehr neugierig, offen für alles Mögliche und irgendwie wie jeder vernünftige Mann ein Kind geblieben. Und das will ich mir auch nicht nehmen lassen. Spielen ist ja eine kreative Tätigkeit.
Überhaupt – vielleicht sollte man das ganze Leben als Spiel ansehen.
Aber Ihre Frage zielte wohl in eine andere Richtung. Natürlich spiele ich auch beim Schreiben. In dem Sinne, dass ich ausprobiere, Neues versuche und dabei, wie Sie schon sagten, auch Neues forme. Das hoffe ich zumindest. Und ich bin sicher, dass ich dabei ebenfalls gewinne. Und sei es nur an Erfahrung.
Ich bin da eher konventionell, mein Spiel unterwerfe ich Regeln
– nicht ohne manchmal zu mogeln, was ja auch zum Spiel dazugehören kann. Ansonsten spiele ich mit jeder möglichen Form der Literatur und probiere sie für mich aus. Kann ich nur empfehlen, macht Spaß. Ist aber größtenteils nur für meine private Schublade auf der Festplatte geeignet.

Die Titel und die Aufmachung Ihrer Bücher hat mich anfangs etwas erschreckt und auf Distanz gehen lassen. Es entsteht der Eindruck, dass Sie den Leser einladen, den harten Weg einer oft tödlichen Krankheit mit Ihnen zu gehen. Beim Lesen habe ich bemerkt, dass es weniger Texte gegen den Krebs oder den Tod sind als Texte für das Leben und vor allem für die Liebe. Hätte man bei der Wahl des Titels bzw. dem Artwork nicht darauf eingehen können?

Stimmt. Diese Kritik habe ich auch schon öfter gehört. Aber ich lade den Leser ja auch ein, den harten Weg einer Krankheit mit mir mitzugehen. Dazu gehört massig Scheiße, dazu gehört aber vor allem auch ein dickes „Ja“ zum Leben und ein dickes „Ja“ zur Liebe! Ich provoziere ganz gerne. Und die Titel und die Aufmachung sind eben erst mal auch 'ne Provokation. Ich zeige bewusst am Anfang die hässliche Seite. Schon bei den Kladdentexten wird dann deutlich, dass es nicht nur um Krankheit oder negative Gefühle geht. Wer dann bereit ist, sich darauf einzulassen, wird sozusagen mit Texten für das Leben und für die Liebe belohnt.
Titel und Artwork können dabei immer nur einen Teil ausdrücken. Und da bevorzuge ich den Holzhammer statt des Wattebäuschchens. Und gerade das Bild von „Ausgehöhlt“ bedeutet mir viel, zeigt es doch besser als viele meiner Worte meine Gefühle und Ängste während der ersten Zeit der Krankheit.


Das dicke „Ja“ zum Leben, sehr gut, vielleicht der Titel Ihres nächsten Buches? Woran schreiben Sie zurzeit?


Wäre    kein    schlechter    Titel.    Eines    meiner    momentanen Projekte  hat  den  Arbeitstitel  „Aufgefüllt“  und  ist  sozusagen die Fortsetzung von „Ausgehöhlt“. Darin beschreibe ich die nächsten vier Jahre meiner Krebserkrankung, beziehungsweise Genesung.  Natürlich  werden  darin  die  Liebe  und  die  Musik die  Hauptrollen  spielen.  Und  das  Leben  mit  Behinderungen. Und  wie  immer  bei  mir  auch  das  dicke  „Ja“  zum  Leben. Keine Ahnung, wann ich das fertig kriege. Ich bin noch an einem weiteren langen Prosatext. Diesmal eine rein fiktive Sache. Krebs oder Krankheiten tauchen darin nicht auf. Aber das dürfte mein frühestens übernächstes Buch werden.
Und natürlich arbeite ich immer an Gedichten und meinem Blog, der mir immer mehr ans Herz wächst. Und neuerdings auch an Rezensionen. Das Internet ist da schon ‚ne spannende Sache. Und dient natürlich auch dafür, sich zu zeigen und zu verkaufen.


Sie sind ja auch in Internet sehr aktiv, und vor Kurzem las ich in einem Ihrer Kommentare, dass Sie das Wort „rumkrebsen“ benutzten. Darf man „rumkrebsen“ noch sagen?


ICH darf das. Ich finde außerdem, man soll dürfen, was man will. Und hat doch auch ‚ne Form von besonderem Humor, oder?


Auf jeden Fall. Künstler werden ja oft gefragt, ob man über das Böse lachen bzw. ob man es lächerlich machen darf und meistens ist die Antwort dann „Ja“. Über was kann Hermann Borgerding noch lachen?


Hm. Lachen aus dem tiefsten Inneren? Oder eher sarkastisches, fieses Lachen? Von wem ist nochmal der Revolutions-Sponti- Slogan  „Ein  Lachen  wird  es  sein,  dass  sie  besiegen  wird!“? Finde   ich   klasse.   Und   ich   liebe   die   Rolle   der   Hofnarren. Ich lache gerne und mittlerweile auch wieder viel. Über alles Mögliche. Ich liebe tiefsinnige Satiren. Ich hab aber auch nichts gegen so richtig fiese Witze, bei denen einem eigentlich das Lachen im Halse stecken bleiben sollte. Ich lache selten über Minderheiten.  Rassismus  und  dieser  chauvinistische  Sexismus sind mir zu platt. Deshalb habe ich auch mit den modernen sogenannten Comedians meine Probleme: Pure Schadenfreude und Niedermacherei der Anderen finde ich selten lustig.


Was gibt Ihnen noch Kraft und lässt Sie weiter positiv nach vorn sehen?


Was zählt ist Liebe, Musik und Poesie. Vielleicht noch die Seifenblasen und Utopien, die man im Kopf hat, die einen weiter antreiben. Bei mir ist das wohl ein diffuser Gefühlsanarchismus. Das sind die Triebfedern, alles andere kommt dann von selbst.


Musik ist ein gutes Stichwort, machen Sie selbst noch Musik?


Leider nein. Ich habe früher Gitarre gespielt und gesungen. Singen geht gar nicht mehr wegen meines Mundes, deswegen frustriert mich auch das Gitarrenspiel. Außerdem habe ich im linken Handgelenk, aus dem mein neuer Gaumen gebastelt wurde, keine Kraft mehr, weswegen es nach ‚ner viertel Stunde wehtut. So bin ich passiver Musiker geworden: Ich konsumiere und mache mir meine Musik in meinem Kopf.


Und wie heißen die fünf Musiker, die auf der einsamen Insel jeden Tag für Sie spielen müssten?


Am Schlagzeug Keith Moon und Ginger Baker, am Bass eindeutig John Entwistle, die Gitarren Keith Richards und John Frusciante und als Gesang ein Chor aus Herman Brood, Leonard Cohen, Tom Waits und Rio Reiser. Ich weiß, das sind mehr als fünf ... Aber das wäre doch geil!


Es wäre sicher interessant, obwohl man dann nicht mehr von der einsamen Insel sprechen könnte. Was wird dann dort an Speis und Trank gereicht und wer darf servieren?

Alles. Und noch viel mehr. Für mich hauptsächlich Kaffee und Tabak. Und mittlerweile wieder ab und zu ein gepflegtes Pils. Und   meine   spezielle   Bananen-Erdbeer-Milch.   Die   mixe   ich mit Vanilleeis, Ahornsirup, Eigelb, Milch und Sahne. Absolute Kalorienbombe   und   Essensersatz.   Außerdem   Nudelspeisen mit viel Butter in der Soße, damit es ordentlich die Speiseröhre runterrutscht.
Servieren? Ist mir zu steif, habe ich keinen Bock drauf. Servieren soll jeder selbst. Aber wenn ich ‚n bisschen mogle, dann nehme ich als Servierkräfte Janis Joplin, Amy Winehouse, Patti Smith, Lucinda Williams und Marianne Faithful. Die würden dann die Background-Hühner bei der Band machen. Hey! Jetzt werde ich zum Schluss doch noch sexistisch…


Es sei Ihnen von Herzen gegönnt. Ich bedanke mich für die Antworten und Anregungen und wünsche weiterhin Spaß am und im Leben und das ihnen weiterhin Kraft, Lust und Zeit bleiben, Ihre Träume zu verwirklichen.


Hauke von Grimm